Zweiundsechzig.

In der klaren Mittagsstunde warf die Sonne ein blendendes Licht auf die Scheibe eines unscheinbaren Wagens. Das Fahrzeug schien nicht für besondere Anlässe gemacht, sondern für das Leben an sich. Er stand daneben, die Hand schon fast automatisch in der Tasche. Ein vertrautes, leicht metallisches Geräusch begleitete den Moment, in dem er eine Zigarette hervorzog und sie sich zwischen die Lippen schob. Als das Feuerzeug aufzischte, verband sich der Duft von verbranntem Gas mit dem Tabak. Der Rauch stieg empor, fast majestätisch. Dann, im Kontrast zu diesem stillen Ritual, ein einziges Wort, schwer und endgültig: „Krebs.“

Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, bewegte sich das Leben weiter. Eine junge Familie, fröhlich und unbeschwert, während ihr Hund spielerisch um sie herumtollte. Sie waren in ihre eigene Welt vertieft, weit entfernt von der schweren Wolke, die sich aus dem Rauch seiner Zigarette und unserer beider Stille formte.

In mir loderte ein unaufhaltbares Inferno. Es war, als hätte dieses eine Wort, so klein und dennoch so gewaltig, eine Kette von Emotionen in Gang gesetzt, die ich nicht steuern konnte. Alles um mich herum schien in diesem brennenden Gefühl unterzugehen. Doch äußerlich blieb ich stumm, gefangen in diesem Moment zwischen dem Wissen und dem Nicht-Wissen-Wollen. Er schien sich dessen kaum bewusst zu sein, oder vielleicht war es seine Art, der Realität ins Auge zu sehen. Fast beiläufig, fast als ob er dem unausweichlichen Schicksal ein letztes Trotzen abringen wollte, nahm er einen weiteren tiefen Zug von seiner Zigarette.

Er war nicht derjenige, der von dieser verfickten Krankheit heimgesucht wurde. Es war ein nahezu gleichaltriger Bekannter, den ich über die Jahre aus den Augen verloren hatte. Gedanken an gemeinsam verbrachte Zeiten schossen mir in den Kopf, Erinnerungen, die zugleich Freude und Trauer in mir auslösten. Ein Lächeln umspielte meine Mundwinkel, fast im Gegensatz zu der Träne, die sich ihren Weg suchte und schließlich auf den Asphalt fiel. Mitten in dieser schweren Stille, erinnerte ich mich an einen Satz, den er mir vor langer Zeit einmal gesagt hatte und der seither in meinem Herzen mit ihm verankert war: „Ausgeschlafen von der Arbeit kommen ist das A und O.“

Als die Glut am Ende der Zigarette zu einem winzigen Funken verkam, ließ er sie fallen, zertretend, und hob dann den verbrannten Rest auf. Er ließ ihn in der Dunkelheit seiner Jackentasche verschwinden. „Es gab keine Rettung mehr für ihn“, sagte er mit einer Stimme, die die Last der Worte zu tragen schien. Ich nickte nur, meine Kehle zu eng, um etwas zu erwidern. Ein ungesprochener Abschied lag in der Luft. Er öffnete die Tür seines Autos, warf mir noch einen letzten, bedeutungsvollen Blick zu und hob kurz die Hand. Der Motor erweckte den Wagen zum Leben und er fuhr davon. Allein gelassen, setzte ich meinen Weg fort. Später, schlenderte ich mit meinem Hund den vertrauten Feldweg entlang. Die Mittagssonne brannte und die Morgenfrische war längst Geschichte.

In den versteckten Winkeln unseres Lebens lauern stille Abschiede, die uns meist unbemerkt bleiben. Es sind diese flüchtigen Momente – eine Umarmung, die vielleicht länger andauert, ein Lächeln, das tiefer sitzt, oder der Blick einer Mutter, der etwas Endgültiges in sich trägt. Das sanfte Kribbeln des Kusses eines Kindes, das vertraute Schulterklopfen eines Freundes – all diese Dinge geschehen eines Tages zum letzten Mal, und oft erkennen wir ihren Wert erst, wenn der Nebel der Vergänglichkeit sich darüberlegt. Dann, wenn die Erkenntnis uns trifft, breitet sich eine unendliche Trauer aus – eine Traurigkeit über verpasste Chancen, über das Unausgesprochene, das Ungetane. Ein letzter Kuss, getaucht in das Wissen um seine Endlichkeit, brennt intensiver. Eine Umarmung klammert sich fest, als könnte sie den Lauf der Zeit aufhalten. Und jedes Wort, das wir wählen, schwingt mit der Schwere des Möglichen Letzten.

Wie der Mann mit der Zigarette, der mir von einer unerbittlichen Wahrheit berichtete, übersehen wir allzu oft die unausweichliche Realität unserer Sterblichkeit. Wir blenden den unaufhaltsamen Schatten aus, der uns früher oder später einholt. Wir können versuchen, mit bedachter Lebensweise und Sorgfalt unsere Zeit zu strecken, aber letztendlich gibt es keine Zuflucht vor dem Unvermeidbaren. Talko, mein treuer Begleiter, schnuppert unruhig an meinem Bein, ein Zeichen seiner Ungeduld oder vielleicht Hunger. Ich nehme ihn hoch, und während er mir mit liebevoller Zärtlichkeit das Gesicht leckt, gehe ich langsam nach Hause. Wie er wünschte ich, jederzeit ganz im gegenwärtigen Moment zu leben.

In der Abgeschiedenheit meines Arbeitszimmers, dessen Fenster gegen die laute Welt draußen verdunkelt sind, suche ich nach einer Sprache, die meinen Wirbelsturm an Gedanken einfangen kann. Immer wieder kreisen meine Gedanken um die vielen unausgesprochenen Worte und nicht ergriffenen Chancen meines Lebens. Bilder, leer und leblos, die nur deshalb existieren, um fremde Erwartungen zu erfüllen, blitzen auf. Jeder Versuch, diesen Strudel zu durchbrechen, wird von der überwältigenden Fülle dessen, was hätte sein können, erstickt.

Ich denke darüber nach, wie oft wir Teile unseres Lebens ausblenden, einfach um vorwärts zu kommen. Wie wir aus der Angst heraus, etwas zu verlieren, so viel zurückhalten. Und in diesem ständigen Bestreben, die unausweichliche Endlichkeit zu ignorieren, vergessen wir, wirklich zu leben. Ein Gedanke, quälend und doch zwingend, drängt sich in den Vordergrund meines Bewusstseins. Es ist eine Frage ohne klare Antwort, ein unlösbares Rätsel. Es scheint, als ob es dieses ewige Rätsel ist, das uns in einen Zyklus des Leids hineinzieht. Ich werde von der Erkenntnis heimgesucht: Jeder spürt nur seinen eigenen Schmerz, jeder stirbt seinen Tod allein.

Inmitten des steten Lärms kommt das Karussell zum Stillstand. Die bunte Hintergrundkulisse, die bisher in einer endlosen Schleife vorüberzog, verblasst und verschwindet, und mit ihr die letzte Spur der Bewegung. Ein dumpfes Schweigen breitet sich aus, und eine schier unendliche Leere nimmt Raum. In dieser Stille steht eine Frage unbeantwortet im Raum: Habe ich tatsächlich gelebt, oder hat jeder meiner Atemzüge, jeder meiner Gedanken, mich einfach nur durch die Zeit getragen?

Ein Gefühl der Abgeschlagenheit, schwerer als jede vorherige Erschöpfung, ergreift mich. Das Gewicht all der verpassten Möglichkeiten, der ungesagten Worte, der nicht gelebten Momente, lastet auf mir. Mein Herz, das bisher in einem steten Rhythmus schlug, schlägt nun müder und langsamer. Ein unüberwindbares Bedürfnis nach Ruhe und Schlaf drängt sich in den Vordergrund. Angesichts dieser überwältigenden Erschöpfung, die jede Faser meines Körpers durchdringt, fühle ich den Drang, mich der Dunkelheit des Schlafs hinzugeben, mich in seine tiefen Arme sinken zu lassen, um dem Gewicht meiner Gedanken und dem Druck der verpassten Momente zu entfliehen.