Zweiundfünfzig.

An einem Sonntag ziehen die Wolken sich wie brüchige, ungelenke Leichentücher über die kalten, sterilen Dächer des Dorfes hinweg. Eigentlich, ja eigentlich hätte es warm sein sollen, sonnig. Aber dieser Sommer, er unterscheidet sich von anderen, und es fühlt sich fast so an, als würde ich in den rauchenden Trümmern meiner Existenz verharren, umgeben von einer Vielzahl fragmentierter Teile von dem, was ich einst Leben nannte. Sie glühen in den Flammen meiner zerstörten Träume, und dennoch fröstelt es mich.

Möglicherweise wirken meine Worte an diesem Tag wie eingefrorene Schatten auf abgenutztem Papier, düster und unerbittlich, ohne Trost oder Hoffnung zu spenden. Vielleicht sind sie keine leuchtenden Gemälde des Lebens, die Freude oder ein Lächeln hervorrufen. Sie gleichen eher den vielschattierten Reflektionen der Realität, die bisweilen nichts anderes sind als die dunkleren Facetten des Lebens. Wenn ich aufstehe, ist der Raum um mich herum mit einer brodelnden Melancholie gefüllt. Vorbei sind die Zeiten, in denen ich davon träumte, ein Licht der Hoffnung zu sein, vorbei die Zeiten, in denen ich mit unerschütterlichem Glauben in die Zukunft schaute. Dennoch flüstert eine Stimme, kaum hörbar durch den dichten Rauch des Abschieds: „Alles wird gut.“ Aber diese Worte fühlen sich in meinem Kopf wie ein Verrat an meiner Wahrheit an. Ich schaue mich um, sehe mehrere zerbrochene Leben, und überall lodern Flammen, genährt von zerstörten Hoffnungen. Sie verschlingen alles.

Meine Gedanken kreisen um einen Freund, darum, wie lange er schon nicht mehr hier ist. Die Realität riss ihn aus dem Leben, ein flüchtiger Moment, ein unbedachter Augenblick. Aber dieser hatte ihm die Lebenskraft geraubt und ihn aus dieser Welt verbannt. Vielleicht ist sein Spiegelbild ein Beweis dafür, wie schnell das Leben uns von unseren Träumen in diese oftmals grausame Wirklichkeit zurückholt. Was zählt dann noch? Was ist wichtig? Und wieder ist da jene leise Stimme, die mich aus den Gedanken der Vergangenheit zieht: „Alles wird gut.“

Zwischen den Trümmern, mit Rauch in den Lungen, wiederhole ich, was die Stimme da flüstert. Trotz aller Schwierigkeiten, trotz aller Schmerzen flüstere ich leise, nur für mich: „Alles wird gut.“ Es klingt wie ein sanfter Trost. Es klingt nach dem Versuch, die Dunkelheit zu durchdringen. Es scheint nicht zu funktionieren, es fühlt sich nicht danach an, und doch, ich beginne, diese Worte immer wieder zu flüstern, als wären sie ein Mantra, das mich in ein neues Bewusstsein führt. „Alles wird gut.“

In der Poesie versuche ich ein Gleichgewicht zu finden, vielleicht schaffen es Geschichten eine Balance zwischen der harten Wahrheit, die ich sehe, und der Hoffnung, die ich fühle, zu erzeugen. Aber an diesem Tag fällt es mir schwer, Worte zu finden, die nicht leer und bedeutungslos klingen. Denn die Worte, die ich schreibe, sollen meine Wahrheit erzählen, die wahrhaftig meine ist und für jeden anders sein kann. Ich schreibe weiter, inmitten der Trümmer, die mein Leben darstellen. Jedes Wort, jeder Satz ist wie ein Schritt gegen die Dunkelheit, jede Zeile ein Protest gegen die bittere Realität. Vielleicht sind sie stille Gebete für eine andere Zukunft, der erste Schritt, um aus den Trümmern etwas Neues zu errichten. Und während ich mich an einer der scharfen Kanten verletze und zwei, drei Tropfen warmes Blut auf den bereits erkalteten Stein fallen, flüstere ich mir immer weiter selbst zu: „Alles wird gut.“ 

Während die Worte langsam in die Unendlichkeit verschwinden, verlagert sich mein Blick von den unscheinbaren Details des Bodens hin zum unermesslichen Himmel. Ein sanfter Strahl des Sonnenlichts zerschneidet die dunkle Decke der Wolken. Ich muss unweigerlich an ein kleines Haus in den Bergen denken. Stabil und unerschütterlich steht es da, trotzt den Stürmen des Lebens. Der Duft seines Holzbodens vereint sich mit der frischen Bergbrise, eine Symphonie, die eine warme Erinnerung an Heimat und Geborgenheit erweckt. Der goldene Sonnenstrahl, er trifft auf die kleinen Fenster, lässt sie aufleuchten und den Inneren Raum, in dem ein prasselnder Kamin zu finden ist, erhellen. Die von diesem Bild ausgehende Wärme bietet mir Schutz inmitten des Sturms.

Dieser Lichtkegel, der die Dunkelheit zerschneidet, erinnert mich daran, dass selbst in den dunkelsten Momenten ein Hauch von Hoffnung wiedergeboren werden kann. Ich beginne zu verstehen, dass sogar aus der Asche von Zerstörung und Verlust, ein Lichtstrahl die Macht hat, neue Energie und Hoffnung zu entfachen. Mit jedem Atemzug, scheint dieser goldene Lichtstrahl intensiver, er hellt die Dunkelheit auf, lässt sie verschwinden und verleiht meinen Worten eine neue Bedeutung.

Die Idee dieses bescheidenen Hauses, mit seinen warmen, hölzernen Fußböden, dem gemütlichen Kaminfeuer und den einladenden Fenstern, erweckt in mir eine tiefe Sehnsucht. Eine Sehnsucht nach einem Zufluchtsort, nach einem Ort des Friedens und der Stabilität. Für mich repräsentiert dieses Haus nicht nur Schutz und Sicherheit, sondern auch einen Ort, an dem ich meine verlorenen Träume und Hoffnungen wiederentdecken kann.

Mit jedem flüsternden Echo meines Mantras: „Alles wird gut“, wächst mein Glaube. Und letztendlich, mit der Zuversicht und der Überzeugung, dass ich das Kapitän meines eigenen Lebens bin, wiederhole ich nicht nur diese Worte, sondern ich glaube an sie, ich verkörpere sie. Das Bild des Hauses bleibt in meinem Gedächtnis verankert, als ein Leuchtfeuer der Hoffnung, als stille Versicherung, dass egal wie dunkel die Nacht sein mag, es immer einen Ort der Wärme und Geborgenheit gibt, zu dem man zurückkehren kann. Und mit jedem Atemzug, jeder Sekunde, wächst das Licht dieses Hauses in den Bergen, wächst mein Glaube: „Alles wird gut.“

„Alles ist gut.“