Siebenundzwanzig

„Weinend, verzweifelt, hoffnungslos saß ich am Rand einer Welt, die mir keinen Halt mehr bot. Nichts, was Trost spenden wollte. Nichts, das stützen konnte. Würde ich aufstehen, würde ich fallen. Meine Beine konnten mich nicht tragen. Meine Hände nach nichts greifen. Wo einst die Hoffnung war, hatte der Schmerz sich breit gemacht und der Faden der Erinnerung, von dem ich glaubte, er könne mich zusammenhalten, war zerrissen. Die Dunkelheit der Nacht war der Spiegel meiner Seele… Aufstehen. Warten. Aufgeben. Fallen lassen. Wieder schossen die Lichter eines Autos an mir vorbei. Während ich den roten Lichtern nachsah, dachte ich an das helle Licht am Ende dieses Tunnels. Ich konnte es nicht sehen. Einmal aufstehen. Einen Schritt zur richtigen Zeit. Niemand würde darüber sprechen und wenn, dann höchstens mit vorgehaltener Hand. Eine Woche. Vielleicht zwei. Es wäre alles vergessen und niemand wäre da, der mich vermissen würde. Nicht einmal sie.  “ 

Ich brauche einen größeren Heftstreifen. Der alte, aus Kupfer, ist zu kurz. Er kann die Seiten nicht halten. Immer wieder öffnet er sich und wirft die letzten Blätter des Manuskriptes raus. Passe ich nicht auf, fallen sie auf den Boden. Nein. Das ist kein guter Zustand, schließlich arbeite ich mit dem Papier. Ich blättere hin und her, mache mir Notizen, streiche Passagen, schreibe sie neu. Da bedarf es schon eines Heftstreifens, der halten kann, was er halten soll. Vielleicht ist es etwas altmodisch mit Papier zu arbeiten. Mir egal. Mittlerweile bin ich in einem Alter, in dem die Songs meiner Jugend zu den Oldies gehören. Traurig ist das nicht. Aber wahr.

Kleine Klebezettel markieren große Meilensteine. Universum ist darauf zu lesen. Oder Tod. Auf einem steht Leben, auf dem anderen Schmerz. Die Worte „Alter“ und „Mann“ stehen auf einem anderen. Irgendwo müsste auch das Wort Glück zu finden sein. Vielleicht fehlt dieser Klebezettel noch. Ich werde ihn nachreichen. Morgen. Übermorgen. Eventuell am Wochenende. Mal sehen. Die Zeit vergeht mitunter viel zu schnell. Es könnte auch sein, dass ich zu lange brauche. Kann sein. Die Zeit ist relativ, das hat Einstein schon gesagt. Und mit einem Zitat von ihm, beginnt die Geschichte. Mit welchem? Das verrate ich noch nicht. 

Die Geschichte handelt von zwei Menschen, die voneinander wissen, doch nie miteinander sprachen. Sie trafen an einem Punkt der Zeit aufeinander, an dem sie sich nicht begegnen wollten. Einer von ihnen hat einiges verloren, der andere alles. Vielleicht ist das Leben ein mieser Verräter, vielleicht nicht. Vielleicht gewinnen wir, wenn wir verlieren, vielleicht verlieren wir, wenn wir gewinnen. Wer kann das schon mit Gewissheit sagen? Es ist eine Geschichte, die vom Abschied handelt, vom Verlust, vom Schmerz. Es ist eine Geschichte, die von der Trauer erzählt und davon, wie unterschiedlich die Lebenslinien verlaufen können und davon, wie wenig wir oftmals wirklich wissen. Sie erzählt vom Loslassen, vom Ankommen und vom Glück. Sie erzählt von allem und davon, das alles eins ist.

Die Vergangenheit ist eine Geschichte, die wir uns selbst erzählen. Ach Mist. Ich würde gerne mehr erzählen. Doch gerade, als ich im Manuskript blätterte, um nach dem Rest des Zitates zu suchen, fiel das komplette Werk in sich zusammen. Aufsammeln, neu sortieren und ganz wichtig: Einen neuen Heftstreifen besorgen. Der alte, aus Kupfer, ist zu kurz. Er kann die Seiten nicht mehr halten. Er hat sich geöffnet, als ich nicht achtsam genug war. Unglück? Glück? Wer weiß das schon?