Sieben.

Florian hatte studiert. Irgendwas mit Medien. Was mit Marketing. Wahrscheinlich irgendwas mit Verkaufspsychologie. Er kannte sich hervorragend aus. Für die Agentur, für die er arbeitete, durfte er hin und wieder als Speaker auftreten. 400, 500 vielleicht sogar 600 Menschen hingen dann an seinen Lippen. Er sprach über die Positionierung von Unternehmen. Davon, wie sich Unternehmerinnen und Unternehmer von der Masse abheben und zur sichtbaren Marke werden können. Dabei betonte er allerdings stets, dass eine allgemeingültige Schablone, die sich individuell auf jedes Unternehmen anpassen würde, nicht gäbe. Er würde in jedem Fall zu einer individuellen Marketingberatung raten. 

Auf einer dieser Veranstaltungen lernte ich Florian kennen. Ich war dort, um seinen Auftritt in Bildern festzuhalten. Im Auftrag der Agentur. Während der Mittagspause kamen wir ins Gespräch. Gemeinsam saßen wir in der Ecke eines kleinen Restaurants. Er aß Pasta, ich Pizza. Im Hintergrund lief leise italienische Musik. Das er für das, was er tat brannte, bemerkte ich sofort. Es schien fast, als hätte er kein anderes Interesse in seinem Leben. Sein Thema während des Essens waren Webseiten. Er sprach von Domains, von der Navigation und Nutzerführung, von Usability und Design, von Inhalten mit Mehrwert und von den Kontakt- und Interaktionsmöglichkeiten, die eine Webseite haben sollte. „Call-to Action“ Buttons, die dafür sorgen, dass die Nutzerin oder der Nutzer eine bestimmte Handlung ausführt

Florian sprach eine besondere Sprache. Eine verständliche Sprache. Eine, die ohne große Fachbegriffe auskam. Er erklärte das, was er erklärte, stets auf Augenhöhe. Ich hörte ihm aufmerksam zu, notierte hier und da etwas in meinem Gedächtnisprotokoll. Während er sprach und ich aß, war ich mir sicher, dass ich von den Tipps und Tricks, die er mir kostenlos zusteckte, einige umsetzen würde. Das tat ich auch. Immer mal wieder. Zugegeben, einiges von dem, was er gesagt hatte, habe ich schlichtweg vergessen. Aber trotzdem war ich überzeugt, dass dieses Gespräch eine wirkliche Hilfe für mich war. Nur leider war dieses Gespräch eben keine Schablone, die sich eins zu eins auf mich übertragen ließ. Mein Fehler. Nicht Florians.      

Ich glaube, seitdem ich mich selbstständig gemacht habe, war ich stets darum bemüht, entsprechende Klischees zu bedienen. Es gab Zeitabschnitte, in denen ich diverse Rollen ausprobiert habe, um verschiedene Zielgruppen anzusprechen. Stets hatte ich dabei Florians Tipps im Hinterkopf, von denen ich dachte, ich könne sie 1:1 auf mich übertragen. Ganz wohl gefühlt habe ich mich dabei nie. Und zu diesem Gefühl des Unwohlseins kamen Selbstzweifel, die mich immer wieder in die Ecke gedrängt haben.

Na gut. Der Frühling naht und mit ihm der Drang zum Frühjahrsputz. Aufräumen. Ausmisten. Entstauben. Habe ich in den letzten oftmals damit auf den Schränken und an den Bilderrahmen angefangen, beginne ich in diesem Jahr damit in meinem Kopf. Seit gut 7 Tagen falle ich nach und nach aus der Rolle, mache Inventur in meinem Oberstübchen und habe sogar schon die Karte für den Sperrmüll ausgefüllt. 

Was ich erkannt habe? Weniger ist mehr. Ich mag das Konzept der Einfachheit. Sie ist das Gegenteil der Kompliziertheit. Mögen Florians Tipps und Tricks, all die Marketingkniffe und Werbestrategien ihre Richtigkeit haben, müssen sie doch nicht für jeden relevant sein. Ich, für meinen Teil, möchte keine Rollen mehr spielen, keine weiteren Klischees erfüllen oder Dinge tun, die weitläufig als richtig und wichtig betrachtet werden. Ich möchte mir meine eigenen Fragen stellen und meine eigenen Antworten finden. Und deshalb tat es bislang schon verdammt gut aufzuräumen. Klarheit bringt Klarheit. Und Distanz Antworten. Weniger ist mehr und ich drück jetzt mal 17 Euro ins Phrasenschwein.