Neunundzwanzig

In den Blüten des Kirschbaumes, der hinter dem Haus steht, summt es. Unzählige Bienen schwirren von Blüte zu Blüte, um Nektar und Pollen zu sammeln. Diese Bestandteile der Blüte brauchen sie, um sich selbst und ihre Nachkommen zu ernähren. Was übrig bleibt, wird zu Honig verarbeitet. Kein großes Geheimnis und doch ein mehr als deutliches Zeichen, dass der Frühling begonnen hat. Große Veränderungen stehen an. Draußen. In der Natur. So wie in jedem Jahr. Und obwohl es nahezu immer gleich erscheinen mag, ist doch alles anders. Es sind die Feinheiten, die diese Jahreszeit, die jede Jahreszeit besonders machen.

Neulich erst sprach ich mit jemanden über die Blüten, die Bienen und wie schön es sein kann, an einem sonnigen Tag im Garten zu stehen und den kleinen Tieren bei ihrer Arbeit zuzusehen. Und anscheinend war das Wort „Arbeit“ für ihn das Stichwort, denn so gleich entgegnete er mir, dass dafür ja auch Zeit sein müsse. Ich muss dazu sagen, dass diese Person ein „Erfolgsmensch“ ist und das für ihn Erfolg, Geld und materielle Dinge scheinbar wichtiger sind als Glück. Was er dabei allerdings vergisst ist, dass Erfolg, Geld und materielle Dinge langfristig nicht glücklich macht und das lang anhaltendes Glück andere Voraussetzungen braucht.

Als ich mit ihm sprach, fiel mir sein aufgeblähtes Ego auf und ein gewisser Mangel an Selbstliebe. Gleichzeitig spürte ich viele negative Gedanken und die viel zu starke Identifikation mit den Dingen, die er besaß. Sein Auto, seine Häuser, die viel zu wenigen Urlaube, die dafür aber teuer sein mussten. Arbeit war für ihn ein Statussymbol. Die Blüten, die Bienen und die Betrachtung des Zusammenspiels hingegen, war nichts Besonderes. Glück konnte er darin nicht erkennen.

Vielleicht ist genau das, dass Problem: Die meisten Menschen sind so sehr damit beschäftigt, das Glück im Außen zu suchen, dass sie dabei übersehen, dass das Glück bereits in ihnen steckt. Schon seit der Geburt. Allerdings, da will ich ehrlich sein, habe ich selbst diese Wahrheit oft vergessen. Und ich vergesse sie immer wieder. Dann brauche ich Zeit und manchmal die Betrachtung der kleinen, unscheinbaren Dinge, um mich wieder daran zu erinnern. Ich muss mir wieder bewusst machen, dass „glücklich sein“ eine bewusste Entscheidung ist.

Nach vorne. Nicht zurück.

Zugegeben. Es lässt sich leichter schreiben als umsetzen. Gerade an den Tagen, an denen mehr oder weniger starke Schicksalsschläge ungefragt ins Leben platzen. Ich habe für mich entschieden, dass das Leben einfach passiert und das ich damit umgehen muss. Ich kann mich selbst nicht fragen, warum mir dieses oder jenes passiert ist. Fairerweise müsste ich mich dann gleichzeitig fragen, warum es mir nicht passieren sollte. Was wäre so anders an mir, dass mir dieses oder jenes nicht passieren kann? Wenn ich in meinem Leben für mich etwas gelernt habe, dann dass es mir nicht hilft, mich selbst zu bemitleiden. Ich muss mir selbst helfen und selbst entscheiden, wie ich mit schwierigen Zeiten umgehen möchte. Das ist wichtig, denn ich muss nach vorne gehen, nicht zurück.

Natürlich gibt es ein „Ja, aber…“. Das lässt sich immer finden. Manche Schicksalsschläge wiegen so unfassbar schwerer als andere. Sie treffen uns so hart, dass wir glauben, nie wieder glücklich sein zu dürfen. Diese Schicksalsschläge bescheren uns einen Schmerz, der zu unsäglichem Leid führen kann. Und doch gibt es einen Unterschied zwischen Schmerz und Leid. Schmerz ist etwas, dass von außen kommt. Oftmals ist er unvermeidlich. Und es ist eine Tatsache, dass das Leben schmerzliche und schwierige Situationen mit sich bringt. Kein einziges Leben kommt ohne diese aus. Selbst die Leben nicht, die uns etwas anderes vermitteln möchten. Und was das Leid betrifft, dafür entscheiden wir uns. Wir müssen nicht ewig leiden. Wir können uns entscheiden, den Schmerz zu akzeptieren und trotzdem das Beste aus unserem Leben herauszuholen. Vielleicht ist es so, dass wir lernen müssen, alles im Leben willkommen zu heißen und trotzdem zu wissen, dass es nicht für immer bleiben wird.

Übrigens: Heute ist es im Kirschbaum still. Seichter Regen fällt. Der Himmel ist grau und mit Wolken verhangen. Ehrlich gesagt, freue ich mich, wenn es regnet und die Pflanzen hinter dem Haus mit Wasser versorgt werden. Anders sieht es an den Tagen aus, an denen ich den Regen vielleicht nicht gebrauchen kann, weil ich wegen diesem vielleicht einen Auftrag verschieben muss. Dann nervt der Regen mich dann. Was ich in diesen Augenblicken immer wieder bemerke, ist folgendes: Es ist gar nicht der Regen. Dieses Ereignis ist vollkommen unbedeutend. Bedeutend sind die Gefühle, die mit dem Ereignis einhergehen. Und meine Sichtweise auf die Ereignisse. Und wie ich die Welt sehen möchte, ist ganz allein eine Frage meiner Einstellung. Und wenn ich mich die Betrachtung der Kirschblüten, der Bienen und all dem, was dazu gehört glücklich macht, ist es meine Entscheidung. Deine Einstellung und Deine Entscheidung darf eine ganz andere sein und nichts von dem, was hier steht, muss für Dich zutreffend sein. 

Das Foto ist übrigens mit meinen Presets bearbeitet.