Fünfundzwanzig.

Ein letztes Aufbäumen. Hoffe ich. Mit knochigen Fingern warf der Winter eine Ladung Schnee auf die letzten Reste, der von Würmern zerfressenen Jahreszeit. Ein Mann schob mit einem Besen den Bürgersteig frei, während seine Frau in der Einfahrt stand und die Fenster betrachtete. Eventuell dachte sie darüber nach, ob es sich lohnen würde, diese zu putzen. Vielleicht, so dachte ich mir, hätte sich zum Sonntag Besuch angekündigt. Die liebe Verwandtschaft. Und neben den Fenstern gab es noch die Frage, ob sie Schweinebraten oder Lendchen zu den Salzkartoffeln reichen würde. Sollte sie Lendchen wählen, würde ich eine Champignonrahmsauce, grüne Bohnen und sahniges Kartoffelgratin empfehlen. Gleichzeitig war mir klar, sie würde mich nie fragen.

Im Laden an der Hauptstraße, in dem ich Schokolade für die Handwerker kaufte, unterhielten sich zwei Menschen. Einer der beiden fluchte über das Wetter. „Ein unmögliches Wetter“, schimpfte er. Die andere Person, beide waren durchaus älter als ich, pflichtete ihm bei. Ich, dem manchmal ungefragt Dinge aus dem Mund fallen, schmunzelte leicht und flüsterte deutlich hörbar: „Wenn es unmöglich sei, wäre die Wetterlage eine andere.“ Der Mann, der von der Unmöglichkeit des Wetters sprach, schaute mich etwas verdutzt an und lachte. „Stimmt. Wäre es unmöglich, würde es nicht schneien. Hin und wieder sagt man einfach Dinge, ohne weiter darüber nachzudenken.“ Ich nickte und suchte nach der Schokolade. 

Einige Augenblicke später, ich hatte die Süßigkeiten bereits auf das Warenband gelegt, stand der Mann hinter mir. Vom geschätzten Alter her, hätte er mein Vater sein können. Vorsichtig tippte er mir auf die Schulter. Ich drehte mich um. „Was Du vorhin gesagt hast, war interessant. Aber es gehört sich nicht, sich ungefragt in das Gespräch von Unbekannten einzumischen.“ Dann lachte er. Ich ebenfalls. „Stimmt. Hin und wieder sagt man einfach Dinge, ohne weiter darüber nachzudenken.“ „Richtig.“, antwortete er und lachte wieder. Alltagsgeschichten.

Von den Krokussen, die vor dem Kriegerdenkmal wachsen, sah ich nicht viel. Nur zaghaft reckten sich die Spitzen, der geschlossenen Blüten, aus dem Schnee hervor. Wenn es so weiter schneien würde, wären selbst diese zeitnah verschwunden. An der Kreuzung stauten sich die Autos für eine Weile. Die Fahrzeuge, die nach links wollten, hatten es aufgrund des zähfließenden Verkehrs etwas schwerer als gewöhnlich. Aber was ist schon gewöhnlich?

Wenn ich bedenke, dass die Veränderung die einzige Konstante im Leben ist, wird mir klar, dass die Beständigkeit nicht mehr als Fantasie ist. Gestern zum Beispiel, da fielen mir alte Fotos in die Hände. Bilder aus längst vergangenen Zeiten. Bei ihrer Betrachtung fiel mir wieder auf, dass ich auf alten Fotos immer jünger aussehe. Das Gesicht im Spiegel gleicht nicht mehr denen auf den Abbildungen meiner Vergangenheit. Natürlich. Gewöhnlich ist es so, aber diese Gewöhnlichkeit ist immer nur von kurzer Dauer. 

Alles im Leben ist dem stetigen Wandel unterstellt und der Schnee, der heute auf den Blüten vor dem Kriegerdenkmal liegt, wird bald schon verschwunden sein. Selbst die bunten Blüten, die in den kommenden Tagen in verschiedenen Farben blühen werden, verblühen, vergehen und tauchen erst im nächsten Jahr wieder auf. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon?

Na gut. Es ist Freitag. Das Wochenende steht vor der Tür. Vielleicht nicht der beste Nährboden für Alltagsgeschichten und tiefergehende Gedankenzüge. In den sozialen Netzwerken feiern die Menschen, die den Montag scheiße finden, schon voller Vorfreude. Dürfen sie. Sollen sie. Wenn es sie erfüllt, sehr gerne sogar. Für mich spielt der Wochentag keine tragende Rolle. Ich mag alle Tage. Gewöhnlich jedenfalls.