Mit stolzer Brust und lauter Stimme steht das Ego auf. Es glaubt, es weiß es besser. Es ist überzeugt, es weiß am besten was gut für Dich ist. Das Ego schaut Dir ins Gesicht und rät Dir folgendes: „Erst dann, wenn Du all Deine Ziele erreicht hast und alles passt, wirst Du den Frieden finden.“ Die Seele, die leise am Rand sitzt und von der alle Stille ausgeht, schüttelt lächelnd mit dem Kopf. Leise, aber mit einer tiefen Wahrheit in sich sagt sie Dir: „Finde den Frieden. Dann wird alles passen.“

Den Frieden finden. Gar nicht so einfach in einer Welt, die Dir lauthals zuruft, dass Du Deine Ziele erreichen musst. Die Dir erzählen will, dass es im Leben nur um Sieg und Niederlage geht. Doch was ist, wenn es nicht zählt, ob wir das Spiel des Lebens gewinnen oder verlieren, sondern dass es darum geht, wie wir dieses Spiel spielen? Wie oft verpassen wir die Schönheiten, die links und rechts des Weges liegen, weil wir stetig damit beschäftigt sind, das Ziel im Auge zu behalten? 

Als ich am Sonntag, es war kurz nach eins, von dem Konzert zurück nach Hause fuhr, kam ich aus dem Elbtunnel. Der Regen, von dem ich schrieb, hatte noch nicht eingesetzt. Aus dem Tunnel kommend blickte ich nach links. Der Verkehr hielt sich stark in Grenzen, so das ich etwas langsamer fahren konnte. Ich sah die Lichter der Stadt Hamburg in der Dunkelheit. Die vielen erleuchteten Dinge, die sich aus der Finsternis empor hoben. Ehrlich gesagt, ich hatte so etwas bislang nie gesehen. Zu gerne wäre ich angehalten, um davon ein Foto zu schießen. Aber auf der Autobahn anzuhalten, geschweige denn auszusteigen, ist immer eine dumme Idee. Und obwohl ich nach wie vor kein Freund von großen Städten bin, so etwas Schönes hatte ich ewig nicht gesehen.     

Wie dieser Anblick bei Tageslicht war? Das kann ich nicht sagen. Zu sehr hatte ich mich auf das Ziel gefreut, auf das Konzert, auf die Erlebnisse, die mich erwarten würden. Ich hatte nur dieses im Sinn und mein Blick war fortwährend nach vorne gerichtet. Am nächsten Tag, das Konzert war zur Erinnerung geworden, erfreute mich an Eindrücken und Bildern, die ich erleben durfte. Doch dieses Gefühl war nicht zu vergleichen mit dem Glück, welches ich in dem gegenwärtigen Augenblick spüren konnte. Ich hatte mein Ziel, das Konzert, zwar erreicht, aber das Glück dieses zu erreichen, war kein dauerhaftes.

Ziele sind gut. Sie geben uns eine Richtung vor. Sie lassen uns aufbrechen, um neues zu erleben, neue Eindrücke und Erfahrungen zu sammeln. Dieses Aufbrechen, der Weg an sich ist das, was uns Glück beschert. Nicht das Erreichen von Zielen. Und genau das bedeutet Leben. Neues erfahren. Neues Kennenlernen. Neue Erfahrungen zu machen. Sich verändern. Leben beginnt da, wo wir noch nie waren. Alles andere, denke ich, ist Wiederholung.

Als ich gestern überall diese Dinge nachdachte, verstand ich. Vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben. Ich verstand zum ersten Mal, dass ein Ziel gut ist, aber der Weg das Ziel sein sollte. Es sind niemals die Dinge, die wir tun oder erreichen, die unseren ureigenen Wert ausmachen. Es ist die Art und Weise, wie wir leben, die diesen Wert definiert. Vielleicht ist die Erkenntnis wie unser ureigener Wert definiert wird, ja der Schlüssel zu dem Frieden, der dafür sorgt, dass alles passt. Das alles gut ist. Wie es ist. Jetzt. Und hier. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich in dem Klang der Stille. Irgendwo tief in uns.