Eins.

Die erste Sache, an die ich mich erinnern kann, sind kleine Gitterstäbe. Gitterstäbe in einer dunklen Nacht. Durch das Fenster scheint das Licht der Straßenlaternen. Mit Hilfe von Schatten malt es ein furchtbares Gesicht an die Wand. Spitze Zähne. Große Augen. Ein kinderfressendes Monster. Die erste Sache, an die ich mich erinnern kann, sind Gitterstäbe. Die Gitterstäbe des Bettes, in dem ich liege und das Gefühl der Angst, die ich fühle. Es sind die Gitter des kleinen Krankenhausbettes, in dem ich ganz allein liege. Zweieinhalb Jahre alt und gute dreißig Kilometer von zuhause entfernt.  

Die zweite Sache, an die ich mich erinnern kann, ist ein Moment, an dem ich mit meiner Mutter auf der Treppe sitze. Durch das große Fenster der Haustür sehe ich einen blauen Bus, der an der Straße hält. Mein Bruder läuft mit seiner Tasche in der Hand zur Tür des Buses, steigt ein und der Bus fährt weiter. Ich bleibe zurück, mit meiner Mutter, an der Treppe. Ob er wieder kommt, frage ich. Sie lacht. „Ganz bestimmt sogar.“ 

Wäre ich Psychologe, könnte ich mit diesen Geschichten eine Menge anfangen. Ich könnte daraus Rückschlüsse, Schlussfolgerungen ziehen, vielleicht sogar eine Diagnose erstellen. Doch bin ich kein Psychologe. Diese Geschichten sind für mich lediglich zwei Erinnerungen von vielen. Zwei Erinnerungen an eine Vergangenheit, die längst hinter mir liegt. Ob sie mich geprägt haben? Ganz bestimmt. Ich habe eine ziemliche Abneigung gegen die Angst.

Eine Abneigung gegen die Angst zu haben, bedeutet für mich nicht, keine Angst zu haben. Was es am Ende wirklich bedeutet, weiß ich nicht genau. Vielleicht bedeutet es, dass ich gut darin geworden bin, Ängste zu verdrängen, ihnen aus dem Weg zu gehen. Vielleicht bedeutet es, dass ich Dinge, vor denen ich mich fürchte, häufig sein lasse.

Sicherlich ist das nicht immer die beste Idee. Gerade wenn ich bedenke, dass das, was ich in meinem Leben oftmals wollte, sich immer hinter einer großen Mauer der Angst versteckt hielt. Gerade was das „Berufliche“ betrifft, stand mir die Furcht mehrfach im Wege. Und genau aus diesem Grund lautet die Überschrift dieses Textes so, wie sie lautet. Eins.