Achtzehn.

Der erste Tag des meteorlogischen Frühlings. Aus dem Schacht, in dem sich die Konvektor-Heizung befindet, steigt leicht modriger Geruch. Wahrscheinlich liegt es an dem Holz, im dem sich der Duft eines halben Lebens befindet. Seit nahezu 50 Jahren liegt es dort und nun ist es an der Zeit, dieses zu entfernen. Der Schacht selbst verschwindet zeitnah. Er wird mit Beton gefüllt.

Unter dem Laminat liegt italienischer Marmor. Sauber verlegt, als ich noch nicht geboren war. Der Fliesenleger meinte, er könne ihn überfliesen. Die Höhen der Türen als auch die, der anderen, angrenzenden Räumen würden passen. Zwei Elektrotechnikerinnen planen derweil einen neuen Sicherungskasten. Einige der alten Leitungen werden neu verlegt. Strom, Wasser, Abwasser. All das soll auf den neuesten Stand gebracht werden. Vor kurzem erst ist eine Leitung in der Küche geplatzt. Nahezu unaufhaltsam floss das Wasser durch den Raum, ehe ich es geschafft habe, den Fluss zu stoppen. Dinge passieren. 

Hinter mir, im Büro, steht ein Sofa. Direkt vor dem Schrank, in dem sich meine beruflichen Unterlagen befinden. Alles ist hier etwas enger geworden. Um an meine Akkus zu kommen, muss ich Möbel verrücken. Das Fenster lässt sich derzeit an nur einer Seite öffnen, weil vor der anderen Seite ein Sessel die Öffnung blockiert. Damit lässt sich leben. 

Nachdem ich die Fotos einer Kundin bearbeitet und einige Vorbereitungen für den „Eröffnungstag“ eines anderen Kunden vorbereitet habe, werde ich wieder Tapeten von der Wand ziehen. Alles verschwindet. Alles kommt neu. Es fühlt sich an, wie ein kompletter Restart. Und ehrlich gesagt, dieser bewirkt gerade viel in mir. Es kommt mir vor, wie der Beginn eines neuen, anderen Kapitels. Ob es besser wird? Ob es schlechter wird? Wer kann das jetzt schon sagen?

Ich denke an die Parabel des chinesischen Bauern. Diese erzählt von, einem Bauern, der mit seinem Vater im Grenzland zu den Barbaren lebt. Immer wieder gerät er unverschuldet in verschiedene Situationen, die jede für sich zu schwerwiegenden Auswirkungen führt. Zunächst entläuft ihm sein einziges Pferd, wodurch er einen bedeutenden Teil seiner Lebensgrundlage verliert. Doch es kommt zurück und bringt weitere Pferde mit sich, die den Barbaren entlaufen sind. Plötzlich vergrößert sich der Besitz des Bauern. Als der Bauer die Pferde zureiten möchte, verletzt er sich schwer. Seine körperliche Kraft, die gleichbedeutend mit der Arbeitskraft einhergeht, wird geschmälert. Als die Barbaren sein Land angreifen und die chinesischen Truppen, im ganzen Land, nach neuen Männern für die Armee suchen, wird der Bauer aufgrund seiner Verletzungen „ausgemustert“. Er, als auch sein Vater, der aufgrund seines Alters nicht in den Krieg berufen wurde, überleben, während viele andere Männer in der Schlacht starben. 

Die umliegenden Menschen des Dorfes, in dem der Bauer und sein Vater leben, bewerten jede einzelne Situation. Als das Pferd entlief, sprachen sie dem Vater ihr Bedauern aus. Dieser antworte darauf nur, dass es ja sein könne, dass dieser Verlust Glück mit sich bringt. Als das Pferd mit den anderen Pferden zurück kam, beglückwünschten sie ihn. Er hingegen sprach zu ihnen: „Wer weiß denn schon, ob das kein Unglück mit sich bringt?“ An dem Tag, an dem der Bauer vom Pferd fiel und sich verletzte, kamen die Menschen des Dorfes und sprachen die Menschen dem Alten ihr Beileid aus. Der Vater aber schüttelte mit dem Kopf:

„Wer weiß, ob dieses nicht das Glück mit sich bringt?“ 

So geht es weiter. Immer weiter. Ich mag diese Parabel, da sie mir zeigt, dass das, was ich heute als Glück empfinde, später zum Unglück führen und das, was ich heute als Unglück einstufe, zum Glück führen kann. Jedes Ereignis in unserem Leben, ganz egal, was es ist, geschieht im und durch das Leben. Meistens unbeabsichtigt. 

Oftmals stehen wir im Leben, an einem Punkt, an dem wir nicht bekommen, was wir wollen. Dann stellen wir das, als Tragödie des Lebens da. Doch das Leben beweist immer wieder, dass es viele Situationen gibt oder geben wird, in denen wir feststellen, dass dieses nicht der Fall ist. George Bernard Shaw, ein irischer Schriftsteller, hat einmal von den zwei großen Tragödien des Lebens gesprochen. Er sagte: 

„Es gibt zwei Tragödien im Leben. Eine davon ist, dass unser Wunsch nicht in Erfüllung geht. Die andere Tragödie ist es, dass er in Erfüllung geht.“

Wahrscheinlich ist das Glück, wie die Zeit. Relativ.